Archäologische Forschungsgeschichte in der Region Gifhorn 

Erste Nachrichten von heidnischen Denkmälern

Der zur Zeit früheste bekannte Hinweis auf archäologische Denkmäler in der Region des heutigen Landkreis Gifhorn stammt aus dem Jahr 1820. G.H.G. Spiel veröffentlichte Hinweise auf den sogenannten "Bickelstein", einen Findling mit eingemeißelten Kreuzen und Hufeisen, auf "unzerstörte Hügel und Steinhaufen" in den "Gegenden über Wittingen und Knesebeck", auf die Ämter Meinersen und Eicklingen mit Ohof, in denen "neuerdings wieder Urnen gefunden" wurden. Schließlich erwähnte er die Haidhöhen bei Leiferde Amts Meinersen, auf denen viele Begräbnisplätze bemerkt werden" und sprach die dort auch heute noch bekannte Sage von der "goldenen Wiege" an (SPIEL 1820, 12-17, 20, 22).

 

Ehra-Lessien, Bickelstein

Ehra-Lessien, Bickelstein

Drei Jahre später, 1823, wurde in den Miscellen des "Neuen Vaterländischen Archivs des historischen Vereins für Niedersachsen" mit einer "Altteutsche(n) Grabstätte ... im Amte Gifhorn" erstmals ein heute noch bekannter archäologischer Fundplatz, das eisenzeitliche Urnengräberfeld "Pottberg" in der Nähe von Wasbüttel, kurz beschrieben (N.N. 1823, 391-392).

1836 erfolgte die erste ausführliche Beschreibung einer mittelalterlichen Wallanlage, der "Sassenburg" westlich von Dannenbüttel durch "G.E." (E., G. 1836, 261-263).

J.K. Wächter faßte die oben genannten Denkmäler 1841 in seiner "Statistik der im Königreich Hannover vorhandenen heidnischen Denkmäler" zusammen, ohne weitere Denkmäler zu nennen (WÄCHTER 1841, 38, 44-45, 52).

Die erste Abbildung eines archäologischen Fundes aus der Region Gifhorn veröffentlichte G.O. Carl von Estorff 1846 in seiner Arbeit "Heidnische Alterthümer der Gegend von Uelzen im ehemaligen Bardengaue". Es handelt sich um eine flache Hammeraxt aus der Gemarkung Meine, die sich heute im Landesmuseum Hannover befindet (v.ESTORFF 1846, 67/68, Taf. 5.3-4).

Mitte des 19. Jahrhunderts begann der Nachweis für die Urnengräberfelder bei Weyhausen. 1844 grub dort Johann Friedrich Danneil (DANNEIL 1844). J.H. Müller stellte diese Gräberfelder in einem Aufsatz vor (MÜLLER 1865, 410-411). Sie wurden auch als erster Fundraum der Region Gifhorn im überregionalen Zusammenhang 1882 in den Studien "Das erste Auftreten des Eisens in Europa" von Ingvald Undset der Fachwelt bekannt gemacht (UNDSET 1882, 284, Taf. XXVIII 1).

Ende des 19. Jahrhunderts begann die systematische Forschung in der Archäologie, so auch im Raum Gifhorn mit den Arbeiten von Oppermann und Schuchhardt zu den vorgeschichtlichen Burgen (OPPERMANN/SCHUCHHARDT 1888-1916) sowie Müller und Reimers zu den vor- und frühgeschichtlichen Altertümern der Provinz Hannover (MÜLLER/REIMERS 1893).

 

 

 

Flurbegehungen und Rettungsgrabungen

Fachliche Beziehungen zwischen Gifhorn und den im 19. Jahrhundert schon bestehenden Museen in Braunschweig (Städtisches Museum, gegr. 1861; Vaterländisches Museum, gegr. 1891) und in Hannover (Welfenmuseum, gegr. 1861; Provinzialmuseum zu Hannover, gegr. 1874) lassen sich für das 19. Jahrhundert nur aus den dort abgelieferten Funden erschließen. Fruchtbare Kontakte durch Anleitungen und Erfahrungsaustausch entwickelten sich erst seit 1914, mit der Gründung des Museums- und Heimatverein Gifhorn e.V. Unter der Leitung seines Mitbegründers Kantor Johannes Brennecke begann u.a. der Aufbau einer archäologischen Sammlung. Brennecke stellte die Kontakte zu den Museen in Braunschweig und Hannover her, die sein Nachfolger Bernhard Zeitz (1897-1981), in den Jahren 1920 bis 1970 am damaligen Kreisheimatmuseum tätig, vor und nach dem II. Weltkrieg intensiv ausbaute. Der archäologische Interessenschwerpunkt lag, was angesichts des Fundreichtums, besonders südlich der Aller nicht verwundert, bei den Steingeräten aus Felsgestein und Flint. Grundsteine der archäologischen Sammlung im Kreisheimatmuseum wurden durch Otto Krone (1874-1957), dem späteren Konservator am Städtischen Museum in Braunschweig und durch den "Steinesäuker" Willi Geffers (verst. 1962) aus Gifhorn gelegt. Ferner wurden von Vollbrecht, Braunschweig, und Zeitz, Westerbeck/Gifhorn, selbst viele Funde zusammengetragen.

 

Gifhorn, Schmuck des 13. Jahrhunderts

Gifhorn, Schmuck des 13. Jhs.

Rettungsgrabungen sind durch ehrenamtlich Beauftragte seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt worden. Unter den größeren Maßnahmen sind die Grabungen auf den eisenzeitlichen Urnengräberfeldern bei Wasbüttel 1932 (ZEITZ 1934) und im Norden Rolfsbüttels 1956 (ZEITZ 1972b), auf einer mesolithischen Station in Gifhorn (ZEITZ 1969, 9-11) und die Stadtkerngrabungen 1982/84 in Gifhorn (WENDRICH 1986) zu nennen. Die archäologische Denkmalpflege im Landkreis Gifhorn wurde wegen fehlender hauptamtlicher Tätigkeit seit 1975 von der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie im Museums- und Heimatverein Gifhorn e.V. im Rahmen ihrer Möglichkeiten betreut. 1977 kam die Bestellung eines ehrenamtlich Beauftragten für archäologische Denkmalpflege hinzu, die mit Berno Wendrich, in Personalunion als Leiter der Arbeitsgemeinschaft hervorragende Arbeit leisten konnte.

Aktivitäten seitens hauptamtlicher Archäologen fanden durch die intensiven Kontakte zum Provinzialmuseum zu Hannover bereits vor 1945 statt. U.a. durch Gummel 1920 in Croya auf einem Reihengräberfeld des 12. Jahrhunderts (OA Kreisarchäologie), 1922 in Weyhausen im dortigen eisenzeitlichen Urnengräberfeld (Jb. PMH 1926, 39) und durch Schroller 1932 in Emmen, einer Siedlung des Hochmittelalters (SCHROLLER 1934). Nach 1945 sind neben wenigen unbedeutenden Einsätzen die Grabung eines eisenzeitlichen Ofenrestes in Calberlah 1976 durch Jens von Dein (WENDRICH 1978) und die Grabungen in den Jahren 1988-1990 durch das damalige Institut für Denkmalpflege Hannover unter der Leitung von Dr. Hans-Wilhelm Heine auf der "Dammburg Alt Isenhagen", einer Wehranlage um 1200 mit vorhergehender Siedlung des 12. Jahrhunderts und nachfolgender Nutzung im 14. Jahrhundert zu erwähnen (HEINE 1991a-b; 1993; 2006; Wendrich 1989; 1990).

Ende des 20. Jahrhunderts wurde die erfolgreiche ehrenamtliche Arbeit durch die Einrichtung einer hauptamtlichen Kreisarchäologie belohnt. Verschiedene kleine Untersuchungen konnten durch sie fachlich erfolgreich abgeschlossen werden. Herausragend ist hier die Rettungsgrabung eines "Grabhügels" bei Meinersen im Jahr 1995 zu nennen (WALLBRECHT 1996a-c; 1997).

Mit Ausnahme der Pubklikation von Schroller aus dem Jahr 1934 und den jüngsten Aufsätzen von Wallbrecht ist leider festzustellen, daß gerade die Arbeiten hauptamtlicher Archäologen in der Literatur keinen bzw. kaum Niederschlag gefunden haben.

 

 

 

Archäologie in der Literatur

Die erste fundierte Übersicht zur Archäologie, die auch die Region Gifhorn mit einbezog, erschien 1931. In seiner Beschreibung der "Vorgeschichte des Braunschweiger Landes" hatte Otto Krone mit der Aller die nördliche Bearbeitungsgrenze festgelegt. Dieser erste Versuch einer querschnittartigen Darstellung der Archäologie ist für seine Region im Landkreis Gifhorn auch heute noch die einzige Publikation (KRONE 1931)! Für den Raum nördlich von Wolfsburg gibt es aus dem Jahr 1977 eine kleine unvollständige Übersicht von Klaus L. Voss in der "Historisch-Landeskundlichen Exkursionskarte von Niedersachsen, Blatt Wolfsburg" (VOSS 1977). Umfassende wissenschaftliche Arbeiten zu Komplexen aus dem Landkreis Gifhorn liegen in nur drei publizierten Monografien vor. Ihr Schwerpunkt ist der jungpaläo-mesolithische Zeitraum, der in der Gifhorner Region auf zahlreichen Oberflächenfundplätzen nachzuweisen ist. (FISCHER 1981; SCHWARZ-MACKENSEN 1978; ZEITZ 1969). Kürzere wissenschaftliche Artikel waren bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts öfters in den Fachzeitschriften wie "Die Kunde", "Mannus" oder in der "Zeitschrift für Ethnologie" erschienen. Auch hier lagen die Themenschwerpunkte im jungpaläo-mesolithischen Zeitraum. Danach gab es nur ganz vereinzelt Artikel in den Fachzeitschriften, u.a. durch Bernhard Zeitz zum eisenzeitlichen Gräberfeld Rolfsbüttel (ZEITZ 1972a), von Berno Wendrich zu einem Flint-Rechteckbeil (WENDRICH 1982) und durch Klaus J. Borchert zu den Metallgeräten der Bronzezeit (BORCHERT 1990/91). Durch die Einrichtung der Stelle eines hauptamtlichen Archäologen im Landkreis Gifhorn im Jahr 1994 war die Grundlage geschaffen worden, den Nachholbedarf zu minimieren (u.a. WALLBRECHT 1997).

Im überregionalen Zusammenhang wurde der Gifhorner Raum in der jüngeren Literatur nur noch gestreift (TUITJER 1987). Meist ist dabei der Kenntnisstand der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts wiederholt worden. Daneben gab es schließlich noch Vorstellungen von Einzelfunden und kleinen Fundgruppen, in der Regel von Laien verfaßt, die in den Tageszeitungen bis in die 60er Jahre regelmäßig, und im Kreiskalender Gifhorn (früher Isenhagen, Gifhorn-Isenhagen) bis in die aktuelle  Gegenwart publiziert wurden. Unter dem Dach der Kreisarchäologie werden aktuelle Neufunde in Kurzberichten in Fachzeitschriften (Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte) vorgestellt.

 

 

 

Forschungsgeschichte Jungsteinzeit (Neolithikum)

... ist in Vorbereitung